Fakultät für Mathematik
Neue Studienangebote an der Fakultät für Mathematik – ein Magdeburger Versuch
Eine mittelgroße Mathematikfakultät an einer mittelgroßen Universität hat es durchaus schwer, für ihr eigenes Lehrangebot in großem Umfang Studierende von außerhalb anzuziehen. Das trifft auch für die Magdeburger Mathematik zu: Zwar kommt ca. die Hälfte der Studienanfänger/innen nicht aus Sachsen-Anhalt, aber dieser Anteil könnte mit Blick auf die niedrigen Abiturient/inn/enzahlen in Sachsen-Anhalt noch deutlich steigen. Ein Ansatz besteht in der offensiven Vermarktung der guten CHE-Ranking-Ergebnisse, ein anderer im Angebot attraktiver Nicht-Standard-Studiengänge.
Studienangebote zur Statistik
Ausgangssituation
Der transdisziplinar ausgerichtete Masterstudiengang Statistik wurde zum Wintersemester 2010/11 eingerichtet. Neben seiner Funktion als aufbauender Studiengang für Bachelorabsolvent/inn/en in Mathematik und (Angewandte) Statistik - damals noch als Bachelorstudiengang der Hochschule Magdeburg-Stendal - zieht dieser Studiengang pro Kohorte ca. 20-25 Bachelorabsolvent/inn/en von naturwissenschaftlichen über volks- und betriebswirtschaftlichen bis hin zu sozialwissenschaftlichen Studiengängen mit statistisch-methodischer Ausrichtung an. Dieses führt dazu, dass die Magdeburger Mathematik fast doppelt so viele Masteranfänger/innen wie Bachelorabsolvent/inn/en hat. Dieses ist der dritthöchste Wert deutscher Mathematikfachbereiche, dazu siehe man eine Studie von Britta Berndtsen und Gunter Törner, die demnächst in den Mitteilungen der Deutschen Mathematiker- Vereinigung erscheinen wird.
Aus Kapazitätsgründen stellte die Hochschule Magdeburg-Stendal ihren eigenen Statistik-Studiengang zum Sommersemester 2014 ein. Diese an sich bedauerliche Tatsache wurde als Chance genutzt, um zum Wintersemester 2014/15 einen neu ausgerichteten, gemeinsam von der Hochschule Magdeburg-Stendal und der Otto-von-Guericke-Universität angebotenen Bachelorstudiengang Angewandte Statistik einzurichten.
Neu zum Wintersemester 2014/15: Bachelorstudiengang Angewandte Statistik –Gemeinsamer Studiengang mit der Hochschule Magdeburg-Stendal
Das Studium im siebensemestrigen Bachelorstudiengang Angewandte Statistik besteht aus einer grundlegenden Ausbildung in Mathematik und einer vertieften Ausbildung in Statistik, einer auf die Bedürfnisse eines Statistikers zugeschnittenen Ausbildung in Informatik und einer soliden Grundlagenausbildung in verschiedenen Anwendungsbereichen aus den Ingenieur-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften, insbesondere den Umwelt- und Biowissenschaften. Die Ausbildungsinhalte werden während des gesamten Studiums an praktische Aufgabenstellungen gekoppelt.
Die Praxisorientierung wird durch ein Pflichtpraktikum unterstrichen, bei dem die Studierenden Einblicke in mögliche Tätigkeitsfelder im Allgemeinen und die betriebliche Tätigkeit als Statistiker/in im Speziellen gewinnen sollen. Eine gleichermaßen praxisorientierte Ausrichtung bietet auch die Bachelorarbeit. Hierzu besteht die Möglichkeit, die Bachelorarbeit zu einem Thema aus dem Praktikum zu schreiben.
Eine erste Zwischenbilanz
Auf organisatorischer Ebene funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Universität und Hochschule ganz ausgezeichnet: Das Lehrangebot wird etwa paritätisch von beiden Einrichtungen getragen.
Durch die Einstellung des Vorgängerstudiengangs sind allerdings die Anfänger/innen/zahlen zunächst eingebrochen: acht Anfänger/innen zum Wintersemester 2014/15, sieben zum Wintersemester 2015/16. Dieser Effekt wird durch eine Besonderheit des Hochschulgesetzes verstärkt: Da dieser Studiengang gemeinsam von Universität und Hochschule getragen wird, müssen alle Studienbewerber/innen - auch Abiturient/inn/en - ihre Eignung in einem Feststellungsverfahren unter Beweis stellen, was erfahrungsgemäß auf potentielle Bewerber/innen abschreckend wirkt. Zu hoffen ist, dass diese Regelung mit der Novellierung des Hochschulgesetzes entfallen wird. Zum Wintersemester 2016/17 konnte mit der deutlich höheren Zahl von 15 Studienanfängern/innen ein positiver Trend festgestellt werden.
Neu zum Wintersemester 2015/16: Bachelorstudiengang Mathematikingenieur/in
Ausgangssituation
In Mailand gibt es einen sehr erfolgreichen Studiengang ”Mathematical Engineering“, in dem neben einer soliden Ausbildung in Mathematik von jeder Ingenieurdisziplin einige (wenige) Grundlagenfächer vermittelt werden. Breite der erworbenen Kompetenzen steht vor Tiefe des vermittelten Fachwissens. Bewusst stehen numerische und Computerkompetenzen nicht im Vordergrund. Dieser Studiengang lockt sehr gute Studierende an, die am Ende von allen technischen Fächern die Grundlagen beherrschen und sich durch die Breite der Ausbildung ein solides Methoden- und Kompetenzspektrum erarbeitet haben. Sie meistern die verschiedensten Masterprogramme und auch einen direkten Berufseinstieg mit großem Erfolg.
Gleichzeitig sucht die Industrie für manche theoretisch besonders anspruchsvolle Entwicklungsprojekte (moderne Fahrzeugkomponenten, anspruchsvolle physikalische, chemische oder biologische Stoffumwandlungsverfahren, Chipentwicklung, Informationstechnologie, u.v.m.) Ingenieure/innen, die viel mehr grundlegende Mathematik beherrschen bzw. Mathematiker/innen, die viel mehr von Technik verstehen (etwa als Technomathematiker/innen).
Bei den breit aufgestellten Magdeburger Ingenieurwissenschaften und der sehr gut damit vernetzten Mathematik liegt es auf der Hand, eine Variante des Mailänder Modells hier auszuprobieren.
Die Umsetzung
Wir haben das Mailänder Modell dahingehend modifiziert, durch die Wahl von Studienrichtungen Akzentsetzungen zu erlauben, so dass die Studierenden in einer Ingenieurdisziplin bereits vertiefte Veranstaltungen besuchen können. In jedem Falle wissen sie am Ende des Studiums, wie Anlagen, Maschinen, Prozesse bzw. Steuerungen funktionieren. Den im Ingenieurbereich allgemeinbildenden Anspruch des Mailänder Modells haben wir auch zu einem gewissen Grad beibehalten können.
Weitere Eckpunkte und Ziele:
- Grundlagen- und kompetenzorientiertes interdisziplinares siebensemestriges Studienprogramm.
- Zielgruppe: Abiturient/inn/en, die Freude und Interesse sowohl an Mathematik als auch an Technik haben.
- Absolvent/inn/en sollen sowohl Mathematiker/innen als auch Ingenieure/innen sein. Das bedeutet: Mathematik und Ingenieurwissenschaften nehmen mit etwa 40 % jeweils etwa gleichen Raum im Curriculum ein.
- Zwei Modellierungsmodule halten die beiden Säulen Mathematik und Ingenieurwissenschaften zusammen: Ausgehend von konkreten technischen Problemstellungen soll das mathematische Modellieren, die mathematische Analyse und Losung (ggfs. rechnerunterstützt) und der anschließende Transfer der Erkenntnisse zum Problem und die Umsetzung der gefundenen Losungen erlernt werden.
- Je nach Studienrichtung kann nach Abschluss des Bachelorstudiums die Zulassung in ein Ingenieur-Masterstudium (ggfs. mit Auflagen) erfolgen.
- Unabhängig von der Wahl der Studienrichtung erfolgt die Zulassung in den Mathematik-Master. An ein erfolgreiches Masterstudium kann sich eine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität oder an Forschungsinstituten anschließen.
- Ein Einstieg in eine Berufskarriere in der technischen Industrie ist sowohl nach dem Bachelor als auch nach dem Masterabschluss möglich.
Dieses Studienkonzept grenzt sich klar gegen Technomathematikstudiengänge ab, in denen der Technikanteil selten mehr als 20 % beträgt. Umgekehrt gilt dasselbe hinsichtlich der Mathematik in den klassischen Ingenieurstudiengängen.
Dieser Studiengang ist ein Versuch, Technik und Mathematik auf Augenhohe miteinander zu verbinden. Die ersten beiden Kohorten sind mit jeweils 10 Studierenden gestartet und soweit müssen wir nur ganz vereinzelte Studienfachwechsel feststellen. Vermutlich wird die Entscheidung für diesen Studiengang so bewusst getroffen, dass die Studienanfänger/innen diesen in der Regel auch durchziehen können und wollen. Wir haben die Hoffnung, die Zahl der Studienanfänger/innen mittelfristig auf 20-30 steigern zu können.
KontaktFakultät für MathematikProf. Dr. Hans-Christoph Grunau
hans-christoph.grunau@ovgu.de 0391-67 58693